Am Geld liegt es nicht

Von Werner Hörtner · · 2005/01

Im vergangenen Jänner wurde ein umfassender Aktionsplan zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele vorgestellt, Ende März ein Bericht des UN- Generalsekretärs über „Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte für alle“.

In beiden Dokumenten wird das Fazit gezogen, dass die Umsetzung der MDGs bis zum Jahr 2015 möglich wäre, wenn die reichen Länder ihren Anteil leisteten. „Ein großer Anstoß bei der Entwicklungshilfe ist notwendig“, meint Kofi Annan in seinem am 21. März veröffentlichten Bericht „in larger freedom“. Den Titel dieses 62-seitigen Dokuments wählte er in Anlehnung an eine Formulierung aus der UN-Charta, in der von sozialem Fortschritt und besserem Lebensstandard „in größerer Freiheit“ und für alle Menschen die Rede ist. Doch die Reform der Vereinten Nationen, von der in unseren Medien so viel die Rede war, stellt nur ein Kapitel dieses Berichts dar – der Großteil ist der Erfüllung der so genannten Millenniumsziele, den Menschenrechten und einer globalen Sicherheitspolitik gewidmet.
Der UN-Generalsekretär mahnt darin die reichen Länder der Welt neuerlich, ihre Entwicklungshilfeleistungen stufenweise auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu steigern. Zur Umsetzung der Entwicklungsziele würden in einem durchschnittlichen Staat der Dritten Welt Investitionen von 75 US-Dollar pro Kopf genügen, rechnet Kofi Annan vor: ein geringer Betrag, der jedoch von den armen Ländern alleine nicht aufgebracht werden könne.

Drei Jahre lang haben 265 internationale EntwicklungsexpertInnen unter Leitung des US-Ökonomen Jeffrey Sachs – deshalb auch als „Sachs-Bericht“ bezeichnet – an einem umfangreichen Paket von Vorschlägen zur konkreten Umsetzung der MDGs gearbeitet. „Die Experten, die an diesem gewaltigen Vorhaben beteiligt waren, haben eindeutig nachgewiesen, dass wir die Ziele noch erreichen können – wenn wir mit der Umsetzung des Plans sofort beginnen.“ Sein Wort in Gottes Ohr – und in das der Staats- und Regierungschefs der ganzen Welt, die sich im kommenden September neuerlich in New York versammeln, um über die Erreichung der Millenniumsziele zu beraten. Sie alle haben sich eigentlich schon vor fünf Jahren verpflichtet, mit der Umsetzung zu beginnen.
Gefordert sind die Regierungen aller Staaten. „Gute Regierungsführung ist wichtig“, empfiehlt der Bericht in Richtung arme Länder und fordert lokale Politikreformen und mehr Engagement bei der Armutsbekämpfung in den eigenen Reihen. Und hinsichtlich Industrieländer kommen die ExpertInnen des Sachs-Berichts zum Schluss, dass die Ziele mit Aufwendungen von lediglich einem halben Prozent des Nationaleinkommens verwirklicht werden können. Damit könnten die Entwicklungshilfeleistungen im Jahr 2015 auf 135 Milliarden Dollar angehoben werden – gegenüber 68 Mrd. gegenwärtig.

Die Erreichung der MDGs sei „machbar und nur eine Frage des politischen Willens“, meint auch Deutschlands Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. Ob ein Mehr an Handel und Privatkapital, das der Sachs-Bericht ebenfalls fordert, dafür der richtige Weg ist, sei jedoch dahingestellt. Unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen wohl nicht.
Früher hat Jeffrey Sachs als Weltbank-Experte Entwicklungsländern noch Schocktherapien zur Sanierung ihrer Haushalte verschrieben – in den letzten Jahren hat er sich zu einem scharfen Kritiker dieser Institution entwickelt. Nunmehr vergleicht er die Wirtschaftspolitik, die die reichen Länder im letzten Vierteljahrhundert den armen aufzwängten, mit der Medizin des 18. Jahrhunderts, „als die Ärzte ihre Patienten mit Blutegeln heilen wollten – und diese dabei oft starben“.
Die von Weltbank und IWF viele Jahre lang geförderte Politik der „Strukturanpassung“ in den Entwicklungsländern hat zur Genüge gezeigt, dass sie die Patienten eher tötet als heilt, und die von den beiden Institutionen geförderte Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen hat vielfach katastrophale Folgen für die Bevölkerung, etwa in der Wasser- und Gesundheitsversorgung.

Dass der UN-Generalsekretär die Reform der Vereinten Nationen als fünftes Kapitel in seinen Bericht über „Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte für alle“ stellt, macht Sinn. So möchte er statt der entscheidungslahmen Menschenrechtskommission einen mit mehr Befugnissen ausgestatteten Menschenrechtsrat schaffen und alle Staaten zum Kampf gegen Genozid, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschheit verpflichten. Das Dokument ist die Vorlage für die Beratungen beim MDG-Gipfel im September.


Im Web:

„Sachs-Bericht“ und andere MDG-Infos – www.unmillenniumproject.org

Annan-Report: www.un.org/largerfreedom

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